„Qué bolá por la noche?“ – Was geht heute Abend? Mit diesem Satz, häufig zwischen Tür und Angel zugerufen oder per SMS an Freunde versendet, erkundigt man sich als Kubaner nach den Plänen für den Abend. Tausende Habaneros, wie die Bewohner der kubanischen Hauptstadt genannt werden, füllen auf diese Frage hin jedes Wochenende die nächtlichen Straßen der Stadt. Die Antwort auf selbige wird dabei zunehmend komplizierter. In den letzten Jahren schossen neue Bars, Nachtklubs und Restaurants wie Pilze aus dem Boden. Der kleine Privatsektor boomt und das Angebot an nächtlicher Unterhaltung wächst in Havanna zusammen mit dem Tourismus, der auch die Preise zum steigen bringt. Damit einher geht ein ständiger Wandel. Ehemals angesagte Plätze verfallen, während andernorts neue Hotspot entstehen, die fest im Griff der einheimischen Jugend sind.
Als Tourist fällt es schwer, in dem fluktuierenden Angebot die richtige Location zu finden. Viele bleiben daher bei den ersten Tipps, die im Reiseführer gelistet sind: Stickige Touristendiskos, in denen die wenigen einheimischen Frauen ausschließlich dem ältesten Gewerbe der Welt nachgehen und langweilige Salsa-Unterhaltungsstätten in der Altstadt scheinen die einzigen Orte zu sein, an denen man in Havanna nach Sonnenuntergang Spaß haben kann. Dass dem nicht so ist, ahnen die meisten bereits nach kurzer Zeit, spätestens jedoch mit der ersten Rechnung.
Grund genug also, einen Blick auf einige ausgewählte Perlen des Nachtlebens der kubanischen Hauptstadt zu werfen, die sich zumindest teilweise noch fernab der ausgetretenen Pfade des Massentourismus befinden.
Fábrica de Arte Cubano (F.A.C.)
Die ehemalige Ölfabrik wurde im Frühjahr 2014 vom kubanischen Künstler „X Alfonso“ als Kunst- und Kulturzentrum wiedereröffnet. Von Donnerstag bis Sonntag Abend verwandelt sich der Laden zur wohl angesagtesten Disko der Hauptstadt. Auf mehreren Ebenen werden kubanische Cocktails und Snacks zu Elektro- und Gitarrenklängen serviert, dazwischen wandern die Gäste durch eine ständig wechselnde Ausstellung zeitgenössischer kubanischer Kunst. In mehreren Sälen finden Livekonzerte und Special Acts statt, das Programm wechselt ständig.
Der verhältnismäßig moderate Eintritt von 2 CUC ließ den Laden naturgemäß schnell zum Renner unter der einheimischen Partyszene werden, mittlerweile steht die „Fábrica“ jedoch auch auf der „Must see“-Liste vieler Touristen. Entsprechend muss man Wochenends schon ab 22 Uhr mit längeren Schlangen rechnen, Wartezeiten von bis zu 45 Minuten sind nicht ungewöhnlich. Geöffnet hat der Schuppen an diesen Tagen bis 3 Uhr, wobei sich meist etwa eine halbe Stunde vor Schluss eine Schlange bildet. Das in Kuba einmalige Bezahlsystem läuft nämlich bargeldlos über Stempelkarten, beim Auslass wird dann alles zusammen kassiert. Trotz großem Andrang hat sich die experimentelle Mischung aus Kunst, Musik und Alkohol bewährt, der Fábrica gebührt daher ein fester Platz im Repertoire des kubanischen Nachtlebens.
Casa Balear
Etwas gemütlicher geht es in der „Casa Balear“ zu, einer rustikalen semi-staatlichen Bar welche von der baleraischen Gesellschaft im Stadtteil Vedado betrieben wird. Auf der überdachten Terasse des alten Kolonialhauses, das von außen zunächst eher wie eine private Villa wirkt, kann man wunderbar das Treiben entlang der viel frequentierten 23. Straße beobachten. Hier wandern Mojitos, Cuba-Libres und einheimische Biere für kleines Geld über den Tresen. Die Qualität der Cocktails hat zwar in den letzten Jahren nachgelassen, bei Preisen von deutlich unter einem Euro kann man sich jedoch nicht wirklich beschweren. Vom Massentourismus blieb die „Casa Balear“ bisher weitgehend verschont. Hier treffen sich noch vor allem kubanische und ausländische Studenten zum gemütlichen Vorglühen, denn ab ein Uhr morgens macht der Laden meistens dicht.
Uferpromenade Malecón
Die besten Dinge im Leben sind kostenlos, oder zumindest fast. Mehr als eine Flasche Rum im Gepäck braucht man wirklich nicht, um eine lange Nacht am Malecón zu verbringen. Wenn die brennend heiße Sonne etwas nachgelassen hat, bevölkert sich „Havannas Wohnzimmer“ jeden Tag von neuem ab dem späten Nachmittag bis in die frühen Morgenstunden. Nur wenn es regnet, bleibt der Ansturm aus. Bei Handy- oder Livemusik wird hier gequatscht, gelacht und getanzt. Und wenn eine Gruppe mal auf dem trockenen liegt, braucht es meist nicht lange bis jemand von den 24h-Tankstellen entlang der Uferpromenade Nachschub organisiert hat.
Die „Granizado“-Verkäufer entlang der Straße, welche eigentlich für alkoholfreie Softdrinks zuständig sind, ergänzen den Rum um Plastikbecher und Eis – die Standardausrüstung für einen geselligen Abend am Meeresrauschen.
Als Tourist ist hier dennoch eine gesunde Vorsicht angesagt: Trotz der Gesprächigkeit der Kubaner haben viele, insbesondere zu fortgeschrittener Stunde, mitunter zwielichtige Absichten. Nervige Anmachen gehören leider zum Malecón dazu, insbesondere wenn man allein unterwegs ist. Die Prostitution blüht Nachts in den verzweigten Straßen von Havannas Altstadt bis hin zum Ufer, weshalb man diesen Bereich eher meiden sollte. Wenn man von der Ecke 23 und Malecón ein Stück nach Südwesten in Richtung Miramar geht wird es jedoch ruhiger.
Café Teatro Brecht
Vor allem am Mittwochabend geht hier die Post ab. In dem modernen staatlichen Lokal welches sich direkt neben der größten Synagoge des Landes befindet, geben sich nicht selten einige der besten Vertreter der lokalen Musikszene die Ehre. Für kleines Geld kann man dort bis drei Uhr Morgens tanzen. Das junge, oft studentische Publikum sorgt für eine angenehme und entspannte Atmosphäre. Hierher kommen nur wenige „Jineteras“, wie die Gelegenheitsprostituierten in Kuba auch genannt werden. Dafür sind die Cocktails mit 3 CUC verhältnismäßig moderat bepreist und durch die Lage an einer Verkehrsader „Líneae“ ist der Laden gut zu erreichen (ca. 15 Minuten Fußweg vom Habana Libre aus).
Espacios
Wenn die Fábrica schließt, wohin weiterziehen? Diese Frage stellen sich jedes Wochenende zwar nur wenige hundert Menschen in Havanna, und doch hat sie ihre Berechtigung. Denn das Angebot an Bars für die frühen Morgenstunden hielt sich in der kubanischen Hauptstadt bis vor wenigen Jahren noch stark in Grenzen. Im ehemaligen Reichenviertel Miramar wurden inzwischen jedoch zahlreiche Villen als Bars oder Restaurants eröffnet. Wer bereit ist, um die 5 CUC für einen Cocktail zu bezahlen, findet mit Espacios einen gemütlichen Garten, der die ganze Nacht über zum Verweilen einlädt. Trotzdem sollte man nicht zu spät kommen: Dass die Bar bis 6 Uhr morgens geöffnet hat, hat sich inzwischen herumgesprochen. Wenn der Türsteher bereits gelangweilt auf die Schlange zeigt, findet man jedoch mit „Las Piedras“ und „Don Cangrejo“ mehr als gleichwertige Alternativen in der Nähe.
Buddha Bar
Obwohl unter Touristen praktisch völlig unbekannt, fristet diese junge Bar im Stadtteil „Habana del Este“ alles andere als ein Schattendasein. Hier kann man sich in entspannter Gesellschaft von der Monotonie aus Salsa- und Reggueton erholen, die ansonsten das kubanische Nachtleben vielerorts dominiert. Von „ABBA“ über „The Who“ bis hin zu „Rammstein“ weiß die Buddha-Bar mit bekannter Rock- und Popmusik zu unterhalten, wobei oft ein live DJ auflegt. Dank dem niedrigen Eintritt von 2 CUC und dem selbstgebrannten Rum (sehr lecker und überaus preiswert) lockt die familiäre Bar welche sich im Hinterhof eines Wohnhauses befindet vor allem das einheimische Publikum und ausländische Studenten an.
Ein seltenes Extra: Auf dem Hof befindet sich ein Verkaufsstand, auf dem für straßenübliche Preise von wenigen Pesos Kaffee und Zigaretten angeboten werden.
Mit ihrer stimmungsvollen Einrichtung und großzügigen Öffnungszeiten (Samstag Abend bis 4 Uhr) braucht sich die „Buddha Bar“ nicht vor der Schicki-Micki-Konkurrenz in Miramar zu verstecken. Von der Altstadt aus ist sie am besten mit dem Bus zu erreichen (selbe Haltestelle wie der Morro).
Siá Kará Café
Apropos Schick: Wer direkt hinter dem Capitolio gemütlich einen Cocktail schlürfen möchte, ist hier genau richtig aufgehoben. In dem ansprechend dekorierten Lokal werden hervorragende Cocktails zu europäischen Preisen serviert (ab 4 CUC). Entsprechend zieht es hauptsächlich Touristen in das Lokal, welches sich mit seiner gemütlichen Retro- und Antiquitäten-Atmosphäre von den üblichen Touristenfallen á la Floridita überaus positiv abhebt. Eine ebenso gut Anlaufstelle in der Altstadt findet man in der urigen Bar „El Chanchullero“, die über ein ähnliches Angebots- und Preisniveau verfügt.
Wissen ist Nacht
Man könnte hier noch mindestens zehn weitere Orte anführen, die einen Besuch wert sind. Allerdings nicht immer. Havannas Quirliges Nachtleben erfindet sich jede Woche neu. Meist werden im Laufe der Woche Sammel-SMS mit den Adressen der geplanten Partys samt Eintrittskosten verschickt. Vom Freiluft-Konzert bis zur überdimensionierten Geburtstagsfeier in einer Bar in Miramar trifft man manchmal auf die erstaunlichsten Veranstaltungen. Doch eine kubanische Handynummer ist für Touristen (noch) keine Option. Was also tun, um auf dem laufenden zu bleiben?
Glücklicherweise bietet das kubanische Intranet mit der Webseite http://www.lapapeleta.cult.cu/ eine Anlaufstelle für Konzertgänger, Kinobesucher und Nachtschwärmer. Wer sich vor allem für Konzerte interessiert ist auf der Seite http://suenacubano.com/cartelera/ gut aufgehoben. Bands wie „Qva libre“, „Gente de Zona“, „Habana Primera“ und „Descemer Bueno“ locken jedes Wochenende tausende feier- und tanzwütige Kubaner auf die Piste. Dann kann es schon einmal passieren, dass im „Brecht“ tote Hose ist, während in einem eher unbekannten Tanzlokal eine angesagte Band die Massen begeistert.
Havannas Nachtleben ist kompliziert und vielschichtig. Was tagsüber noch wie ein gediegenes Restaurant erschien, kann sich nachts in einen wilden Tanzclub verwandeln.
Wer nur wenig Zeit hat oder zum ersten Mal in Kuba ist, kann daran verzweifeln. Läuft man durch die Straßen der Altstadt, wird man überschüttet mit Angeboten für „nette Salsa-Bars“ und Tanzshows, doch die einzige Diskothek die genannt wird scheint die „Casa de la Música“ zu sein. Das Problem ist, dass viele gemütliche Bars und angesagte Konzerte sehr stark über die Stadt verteilt und manchmal gut versteckt sind. Selbst viele Taxifahrer brauchen die genaue Adresse um z.B. zur Buddha Bar zu finden. Und wenn man einen Ort dann im (Kollektiv-)Taxi erreicht hat, muss man manchmal feststellen, dass dort gerade nichts los ist. Dann schadet es allerdings nicht, beim Personal nachzufragen wo gerade die Masse tobt. Verblüffenderweise wird man dann manchmal sogar von Angestellten privater Bars gerne zur Konkurrenz verwiesen. „Wissen ist Macht“ gilt auch in Kuba.
Wer also keine Lust auf überfüllte Touri-Bars und die üblichen Tanzvorführungen hat, sucht sich seinen eigenen Weg durch den Nachtclub-Dschungel von Havanna. Helfen können dabei die beiden vorgestellten Webseiten, mit denen man sich über Genre und Künstler nach einer interessanten Veranstaltung umsehen kann. Aber auch das Absuchen der Aushänge an der Universität kann, genauso wie ein beiläufiges Gespräch mit kubanischen Studenten im Bus, zu einem guten Tipp für ein angesagtes Konzert führen. Das alles kostet Zeit, die zu investieren sich allerdings lohnt wenn man einen realistischen Einblick in das pulsierende Nachtleben der kubanischen Hauptstadt gewinnen will.
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